Anderen beim Spielen zuschauen? Das kennt man sonst nur vom Fußball. Doch gerade auf YouTube sind sogenannte „Let’s Plays“ Kult und bilden nach Musik das beliebteste Genre der Webvideoplattform. Die kommentierten Gameplayvideos können als performative Medienkritik verstanden werden. Durch die persönliche Bewertung des Spiels, humoristische Einlagen, ironische Anspielungen und unterhaltsamen Anekdoten aus dem Privatleben des Produzenten entsteht eine neue Inhaltsebene. Die Community kann darauf mit Bewertungen und Kommentaren reagieren – undist offensichtlich fasziniert. Als neue publizistische Verarbeitungsform von digitalen Spielen geben Let’s Plays einen Einblick in die Qualität, die Handlungsmöglichkeiten und den Inhalt eines Produkts und bieten wertvolle Hilfestellung beim Spielfortschritt. Die Videos sind kostenlos, können überall und wiederholt angeschaut werden, und das ohne Bindung an Sendezeiten. Es gibt einen regelmäßigen Veröffentlichungsrhythmus, der Zuschauer identifiziert sich mit den persönlich wirkenden Machern, will den Fortgang miterleben und sich mit Gleichgesinnten darüber austauschen. Neben den Let’s Plays hat sich auf Streaming-Plattformen wie Twitch eine weitere Verarbeitungsform herausgebildet: Hier werden die kommentierten Spielszenen live übertragen und die Zuschauer können sich unmittelbar und interaktiv beteiligen.
Der amateurhafte Charme dieses beliebten Formats sorgt dafür, dass viele – vorwiegend männliche – Jugendliche ihren Stars nacheifern und eigene Kanäle gründen. Dabei konkurrieren sie allerdings mit kommerziell ausgerichteten Netzwerken mit hohen Nutzerzahlen, hinter denen sich nicht selten große Medienkonzerne verbergen. Und sie müssen sich einer kritischen Öffentlichkeit und dem Bewertungssystem auf YouTube stellen.
Der Spieleratgeber-NRW macht in pädagogisch angeleiteten Let’s Play-Projekten das lebensweltnahe Thema zum Gegenstand der handlungsorientierte Medienbildung. Hier finden Jugendliche einen geschützten Raum, in dem sie von Rezipienten zu Produzenten werden und sich bewusst, intendiert, aktiv und kreativ mit ihrem Hobby auseinandersetzen. Zieldimension des pädagogischen Handelns ist die Vermittlung von Medienkompetenz. Im Sinne des Medienwissens lernen Jugendliche den Aufbau und die Funktionsweise von Let’s Plays, die Strukturen von Videoplattformen und Community kennen. Die Medienbewertung findet gleich in doppelter Form statt. Einerseits wird das Spiel als Gegenstand kritisch reflektiert und kommentiert, andererseits setzen sich die Jugendlichen auch mit den formalen wie kommerziellen Strukturen hinter ihren Idolen und den Umgangsformen im Internet auseinander. Durch das produktive Medienhandeln erlernen sie zudem wertvolle technische und kommunikative Kompetenzen für die selbstbestimmte Partizipation in einer digital geprägten Gesellschaft.
Zuerst veröffentlicht in der Preispublikation des Grimme Online Award 2016.
Autor: Daniel Heinz
Titelbild: privat