Interview mit Dr. Frauke Gerlach
Was hat Grimme mit Games zu tun?
Wahrscheinlich mehr, als man so denkt! Das Grimme Forschungskolleg beschäftigt sich mit Games, aber auch im Institut sind sie Thema: Schon lange wird in unserem Medienbildungsbereich über Computerspiele nachgedacht, sei es in Projekten, auf Veranstaltungen oder in Publikationen.
Dabei lässt sich beobachten: Die Debatte um gewaltverherrlichende Spiele ist eigentlich vorbei, eher geht es hier um Fragen der exzessiven Mediennutzung. Das nennen wir den Risikendiskurs, der aber flankiert wird von einem Potenzialdiskurs: Was lehren Computerspiele und vor allem wie? Und was können Sie uns erzählen? Fließend geht der Diskurs um Lehr-Lernpotenziale von Computerspielen über in ästhetische Fragen – und kommt schließlich im Qualitätsdiskurs an, also ganz bei Grimme.
Sie meinen bei den Preisen?
Genau, der Qualitätsdiskurs erfährt vor allem im Zusammenhang mit den Preisen eine große Resonanz. Und hier lässt sich feststellen, dass sich gerade beim Grimme Online Award immer häufiger Angebote finden, die entweder Spielelemente umfassen oder gleich komplette Spielmechaniken adaptieren, um ihre Geschichte interaktiv zu vermitteln.
Manche Einreichung hat es bereits zur Nominierung geschafft, einzelne aber auch schon zur Auszeichnung. Es ist nicht die Masse, aber Spiele oder Angebote mit spielerischen Elementen sind seit einigen Jahren kontinuierlich im Wettbewerb vertreten. Darunter sind Angebote für junge Zielgruppen, ebenso wie für ältere.
Haben auch die Öffentlich-Rechtlichen das Spiel für sich entdeckt oder trügt der Schein?
Die Öffentlich-Rechtlichen experimentieren viel. Besonders hervorgetan hat sich hierbei ARTE, die als deutsch-französischer Sender unter anderen Rahmenbedingungen arbeiten können, als andere öffentlich-rechtliche Sender, die rundfunkrechtlichen Beschränkungen unterliegen. Darüber hinaus sind Spiele aber auch aufwendig zu programmieren und das kostet, weshalb sie eher ein Thema für finanziell besser ausgestattete Anbieter sind.
Der Grimme-Preis wurde gerade reformiert, der Grimme Online Award (noch) nicht. Immer wieder kommt die Frage auf: Geht der eine bald in dem anderen auf?
Sicher nicht! Eine wichtige Änderung beim Grimme-Fernsehpreis ist, dass eingereichte Produktionen künftig nicht mehr im Fernsehen ausgestrahlt worden sein müssen. Es reicht, dass sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. So öffnet sich künftig der Grimme-Preis für andere Distributionswege wie Mediatheken, Streamingdienste oder Video on Demand. Entscheidend ist und bleibt aber, dass ein Angebot „fernsehgemäß“ gestaltet wurde.
Was bedeutet das für den Grimme Online Award?
Erstmal wenig und das liegt am Profil des Preises, das sind deutlich vom Grimme-Preis unterscheidet. Der Grimme Online Award ist und bleibt der Qualitätspreis für Netzpublizistik. Als solcher achtet er unter anderem auf Webspezifik und -ästhetik. Wir müssen doch festhalten: TV und Web unterscheiden sich noch maßgeblich, selbst wenn sie technisch konvergieren mögen.
Stichwort Medienkonvergenz: Der Fernsehsatiriker Jan Böhmermann hat anlässlich des 52. Grimme-Preises nicht nur eine Auszeichnung für die #varoufake-Satire erhalten. An ihn ging auch die „Besondere Ehrung“ des Preisstifters; des Deutschen Volkshochschul-Verbandes (DVV). Beim Grimme Online Award wurde er für seine persönliche Leistung im Netz nominiert. Die Preise mögen nicht zusammenwachsen, aber die Personen, die sie erhalten, irgendwie schon!
Jan Böhmermann ist zu Recht mehrfach ausgezeichnet beziehungsweise nominiert worden. Er führt uns wie kein anderer die Wirkungsmechanismen öffentlicher Meinungsbildung in der modernen Mediengesellschaft vor Augen. Dass er dabei auch zu drastischen Provokationen greift, wurde mittlerweile breit diskutiert. Abseits dessen spielt er seine Themen souverän über unterschiedliche Plattformen – online wie offline. Aktuell gibt es wohl kaum einen versierteren „Transmedia-Storyteller“.
Ende 2015 hat Jan Böhmermann mit der Produktionsfirma Bildundtonfabrik übrigens auch ein Spiel gelauncht: das Adventure „Game Royale“ im Retro-Stil. Der verpixelte Böhmermann irrt hier durch den Backstage-Bereich des Neo Magazins auf der Suche nach seinem TV-Sidekick William Cohn. Auch der Grimme-Preis hat hier seinen Auftritt – alles hängt mit allem zusammen. Wir dürfen also gespannt sein, was da noch kommt.
Das gilt wohl auch für Games und den Grimme Online Award generell!
Sicherlich. Aber lassen Sie mich an dieser Stelle danke sagen: Danke an alle diejenigen, die an der Preisträgerfindung und dieser Publikation beteiligt haben: Das sind zum einen die Autorinnen und Autoren und zum anderen natürlich die Mitglieder von Nominierungskommission und Jury, die einiges an Zeit und Engagement investiert haben. Das sind unsere Förderer und Partner, ohne die ein solcher Preis nicht möglich wäre, und das sind nicht zuletzt diejenigen, die als Online-Akteure unermüdlich dafür sorgen, dass immer wieder herausragende Qualität auszuzeichnen ist.
Zuerst veröffentlicht in der Preispublikation des Grimme Online Award 2016.
Dr. Frauke Gerlach leitet seit Mai 2014 das Grimme-Institut und ist seit Dezember 2014 Geschäftsführerin des Grimme-Forschungskollegs. Zuvor war die promovierte Juristin Justiziarin der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag Nordrhein-Westfalen. Außerdem langjährige Vorsitzende der Medienkommission der LfM NRW, des Aufsichtsrates der Filmstiftung NRW, des Grimme-Instituts und Mitglied im Aufsichtsrat der LfM-Nova GmbH.
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