Das Spielejahr 2018 ist gestartet. Angesichts der nachweihnachtlichen Releaseflaute gibt es im Bereich der digitalen Spiele wenig Ereignisreiches zu berichten. Anlass genug, die digitale Glaskugel hervorzukramen, das Internet zu durchforsten, erste Ereignisse unter die Lupe zu nehmen und einen Blick auf das kommende Gaming-Jahr zu werfen.
Zunächst einmal gilt festzuhalten, dass für 2018 keine „großen“ Hardware-Release angekündigt wurden wie beispielsweise eine neue Konsole oder eine bahnbrechend neue Technik.
“game – Verband der deutschen Games-Branche” vertritt künftig die Interessen der Spielebranche, fungiert als Gesellschafter der USK und Stiftung digitale Spielekultur. Weiterhin richtet der Verband den deutschen Computerspielepreis aus und wird zum Träger der Messe “gamescom”.
Doch gänzlich ereignislos wird es keinesfalls werden, dies zeigt schon eine erste überraschende Nachricht des Jahres 2018, die für die deutsche Gamesbranche weitreichende Konsequenzen haben könnte: Nach sechsjähriger Verhandlung fusionieren die beiden Verbände GAME (Bundesverband der deutschen Games-Branche e.V.) und BIU (Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware) unter einem Dach namens „game – Verband der deutschen Games-Branche”.
Die Weichen sind also gestellt, um im Jahr 2018 mit gestärkter Position Entwickler, Publisher und andere Akteure der deutschen Gameslandschaft gegenüber Politik, Gesellschaft und Medien zu vertreten. Weitere Prognosen hinsichtlich des Gaming-Jahres 2018 nennt GamesWirtschaft anhand einer Befragung von 53 Branchen-Experten. Eine überwiegende Mehrheit ist sich beispielsweise sicher, dass sich der Besuch der Kanzlerin (oder des Kanzlers) 2018 nicht wiederholen, es zu mindestens einer Übernahme eines deutschen Studios kommen und dass die Verleihung des Computerspielpreises ohne Eklat vonstattengehen wird.
Veröffentlichungen
Laut der oben genannten Expert*innen werde Fifa auch in diesem Jahr die Verkaufscharts anführen. Denn alle Jahre wieder stehen die Fortsetzungen populärer Games im Sortiment des On- oder Offline-Handels. Während bei Sportspielen der Ball noch etwas runder läuft, die KI noch etwas mehr mitdenkt, die Zuschauer noch authentischer jubeln und die Kassen der Publisher verlässlich klingeln, wird auch in anderen Genres immer wieder die gleiche Spielmechanik aufgewärmt, etwas unterschiedlich gewürzt und zeitgemäßer garniert. Business as usual.
“Red Dead Redemption”, Rockstar Games
Daneben sind auch einige AAA-Titel, also Games, denen während der Entwicklung ein besonders hohes Budget zur Verfügung gestellt wurde, angekündigt. Einer der meist erwarteten Games ist sicherlich das Open-World Westernepos „Red Dead Redemption 2“, das im Gegensatz zu seinem Vorgänger mit einem Online-Modus aufwarten wird. Daneben werden auch einige Klassiker wiederbelebt. Beispielsweise erhält „Shadow oft he Colossus“ momentan eine Frischzellenkur und mit „Shenmue“ bekommen Fans nach 16 Jahren Wartezeit endlich den Abschluss der auf Segas Konsole „Dreamcast“ gestarteten Trilogie.
Auch gänzlich neue Reihen werden in diesem Jahr ihre Premiere feiern, darunter der narrative Neo-Noir-Thriller „Detroit become Human“, Biowares neues Multiplayer-Rollenspiel „Anthem“sowie das Piratenabenteuer „Sea of Thieves“ von Microsoft. Und sicherlich bereichern wieder diverse Indie-Entwickler mit überraschenden und innovativen Titeln die digitale Spielelandschaft. Fraglich bleibt, ob und wie die Monetarisierungsstrategie der Publisher sich aufgrund der Lootbox-Diskussion oder dem ggf. wachsenden politischen Druck verändern wird (siehe Gaming-Jahr 2017 – Ein Rückblick).
Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR)
In Sachen VR werden Gamer*innen auch weiter versorgt werden, obwohl laut den oben genannten Branchen-Expert*innen in diesem Jahr keine so genannte „Killer Application“ erscheinen wird, die dem VR-Markt zum Durchbruch verhelfen könnte. Und jeder, der sich nach einer intensiven Session mit einem solchen Head-mounted Display mit steifem Nacken im Kabelsalat eingeschnürt wiedergefunden hat, weiß, dass technisch durchaus Verbesserungspotenzial besteht. Mit „Oculus Go“ ist bereits eine leistungsschwächere, dafür kabellose und kostengünstige Standalone-VR-Brille angekündigt. Weiterhin wird unter dem Namen „Santa Cruz“ an einem High-End-Gerät gearbeitet. Auch die anderen Unternehmen sind nicht untätig. So bekommt auch die HTC VIVE ein Pro-Upgrade und Microsoft will zwar keine eigene Technik entwickeln, dafür aber mit „Windows Mixed Reality“ im VR-Sektor eine stärkere Präsenz zeigen. Geplante Aktivitäten richten sich nicht ausschließlich an Gamer*innen, vielmehr sollen auch Schulen und Universitäten von der Technologie profitieren und neue Formen des Lernens erschlossen werden.
Nachdem „Pokémon Go!“ für den Gaming-Hype des Jahres 2016 sorgte, sich Medien mit Berichten überschlugen und teils sogar Brücken aufgrund des Taschenmonster-Tourismus gesperrt werden mussten, ist es merkwürdig ruhig geworden um Augmented Reality bzw. Location-based Games. Üblicherweise tummeln sich nach einem solchen Erfolg die Nachahmer wie die Fruchtfliegen um die überreifen Äpfel. Schlüssel des Erfolges war einerseits der dem Spiel zugrunde liegende und prall mit Nutzerdaten gefüllte Kartendienst „Google Maps“ sowie das bekannte und beliebte Franchise „Pokémon“. Für 2018 steht mit „Harry Potter: Wizards Unite“ ein recht ähnliches Spiel vom gleichen Entwickler „Niantic“ in den Startlöchern und wird vermutlich allerlei Muggles in die Häuser „Slytherin“, „Gryffindor“, „Ravenclaw“ und „Hufflepuff“ spalten. Ob die Fans in eine ähnliche Obsession verfallen wie einst bei den Taschenmonstern und ob sie statt gegen Fantasywesen mit einer öden Spielmechanik oder allerlei kostenpflichtigen Content herumschlagen müssen, bleibt abzuwarten.
Bewegung in den Subkulturen
Dem bekannten Streamer Gronkh wurde im Januar der Antrag auf eine solche Lizenz von der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich KEK stattgegeben. Dies könnte für Geschehnisse in 2018 Signalwirkung haben.
Streaming-Dienste wie Twitch und YouTube Gaming sind in der Community beliebt und werden auch in diesem Jahr eine gewichtige Rolle spielen. Stein des Anstoßes war und ist allerdings die Tatsache, dass Streamer*innen von den Landesmedienanstalten nach § 20 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) als privatwirtschaftliche Betreiber von Rundfunkanstalten angesehen werden.
In diesem Jahr stellen sich in Sachen Streaming und Rundfunklizenz drei zentrale Fragen: Werden auch weitere populäre Streaming-Kanäle eine solche Lizenz beantragen? Bekommen bald auch bei Livestreamer*innen Mahnungen von den Landesmedienanstalten hinsichtlich einer zu beantragenden? Und wird sich die Gesetzeslage ändern? Selbst die Landesmedienanstalt NRW bezeichnet die Regelungen im RStV als nicht zeitgemäß und im Koalitionsvertrag der Landesregierung in NRW ist die Anpassung der Regeln für Streaming-Dienste verankert. Es bleibt spannend!
Wenig Zweifel besteht daran, dass auch 2018 ein überaus erfolgreiches Jahr des eSports sein wird. In den USA starten 17 NBA-Teams in der NBA 2K League und auch in Deutschland steigen immer mehr traditionelle Sportvereine in das profitträchtige Business ein. Fraglich ist allerdings, ob E-Sport als Sport anerkannt werden könnte. Wie bereits im Jahresrückblick 2017 aufgeführt, will sich der neu gegründete Interessenverband „eSport-Bund Deutschland“ (ESBD).
Politik & Games
Wie wird sich die kommende Bundesregierung (falls sie sich denn bildet) zur Gaming-Kultur und –Industrie positionieren? Und kommt überhaupt im Jahr 2018 Bewegung ins Spiel? Zu diesen Fragen können selbst die findigsten Experten aus bekannten Gründen keinerlei Prognosen abgeben.
Weniger eine Prognose, sondern vielmehr ein Wunsch ist es, dass Games künftig eine klare Haltung gegenüber politischen oder gesellschaftlichen Diskursen einnehmen und dafür auch ihre Verantwortung wahrnehmen werden, wie es beispielsweise Medienkulturwissenschaftler Christian Huberts in seiner Jahresprognose im Rahmen eines Interviews mit dem Deutschlandfunk einfordert. Während manche Indie-Games auch mal die heiklen Themen anfassen und spielerisch erfahrbar machen, ist dies in der Breite der Branche viel zu selten der Fall. Und selbst wenn politisch oder gesellschaftlich brisante Aspekte sich in einem Game wiederfinden, wird oft durch Achselzucken auf den Unterhaltungsanspruch und eskapistische Funktion des Mediums verwiesen. Doch wie es bei der im Januar geführten Diskussion um das Rollenspiel „Kingdom Come: Deliverance“, dessen Darstellung eines mittelalterlichen Settings, die Eindimensionalität der Fachpresse und das T-Shirt des Chef-Entwicklers Daniel Vavra beweist, es ist auch hier Bewegung im Diskurs.
Trotz der Möglichkeit, den Alltag mit allen problembehafteten Diskursen verlassen zu können, sind Games mehr als pure Unterhaltung. Gerade die audiovisuelle Gestaltung und die Interaktivität ermöglichen eine immersive Erfahrung und damit auch eine andersartige Auseinandersetzung mit Rollen, politischen und gesellschaftlichen Themen. Und somit bleibt die Hoffnung, dass sich die Branche ihrer Verantwortung stärker bewusst wird und nicht davor scheut, auch mal anzuecken und klare Haltung zu beziehen.
Autor: Daniel Heinz
Titelbild: Rockstar Games, “Red Dead Redemption 2”