Vom gescheiterten Comic-Projekt über ein Kartenspiel zum ambitionierten Multi-Panel-Puzzlegame – Gorogoa hat einen langen Entwicklungsprozess hinter sich, in dem Autor Jason Roberts das Konzept mehrfach gänzlich auf den Kopf gestellt, Zeichnungen immer wieder verworfen, deren Stil verbessert und Gaming-Mechanismen verfeinert hat. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Gameplay
Ein drachenähnliches Fantasiewesen fliegt durch eine Stadtkulisse, beobachtet von einem Jungen an dessen Fenster. Laut eines Buches müssen 5 verschiedenfarbige Früchte in einer Schale gesammelt werden, um es zu sättigen. Plötzlich teilt sich die Zeichnung in 4 (2×2) gleichgroße Paneele, in denen fortan handgezeichnete und teilweise animierte Illustrationen zwecks Lösungsfindung arrangiert werden müssen. Aus einem Bild werden zwei unterschiedliche Motive, indem die anfängliche Szenerie mit dem Jungen am Fenster durch Drag and Drop von dem Hintergrund separiert wird. Nun kann in zwei unterschiedlichen Paneelen gleichsam Wohnung und Stadt untersucht werden. Mal wird in Zeichnungen hineingezoomt, mal zwei Bilder übereinander gelegt oder so platziert, dass sie sich zu einem größeren Ganzen vereinen und eine Animation auslösen.
Hört sich skurril an? Ist es auch! Beispielsweise wenn der Protagonist mittels eines Türrahmens in einer neuen Szenerie landet. Oder sich das Wandbild bei näherer Betrachtung in eine grüne Landschaft verwandelt.
Der Protagonist läuft eine Treppe hoch und bewegt dadurch Zahnräder.
Weiterhin gilt es eine Laterne durch den leuchtenden Stern eines anderen Motivs zu entzünden oder Zahnräder durch eine animierte Treppe in Gang zu setzen.
Die Rätsel wirken immer wieder erfrischend innovativ, werden im Verlauf zunehmend komplexer und fordern Beobachtungs- und Kombinationsgabe sowie Geduld. Denn je nach Intuition des/der Spielenden, kommt es zu Trial&Error-Phasen, die das ca. zweistündige Erlebnis auch mal in die Länge ziehen können. Umso größer die Freude, wenn des Rätsels Lösung entdeckt wurde und sich neue Handlungsmöglichkeiten entfalten.
Story & Design
Die Story wird dabei ohne Worte erzählt und bietet jede Menge Interpretationsspielraum sowie bewusst willkürlich und verwirrend wirkende Aspekte hinsichtlich Zeit und Raum. So ist die Spielfigur im ersten Moment jung, auf dem nächsten Bild ein Greis, bewegt sich mal in einer klassizistisch-südeuropäisch dargestellten Szenerie, um andernorts in einem von Bomben erschütterten Kriegsgebiet am Schreibtisch zu sitzen. Architektonische Bauten unterschiedlicher Kulturen werden hier ebenso rezitiert wie buddhistische Symbolik oder Himmelskörper.
Zwischen Traum und Realität, mit gleichsam vertrauten wie fremdartig oder fantastisch anmutenden Elementen gehen Spielende auf eine Reise, die durch eine ruhige, beinahe meditativ wirkende Klangkulisse passend untermalt wird.
Fazit
Systeme: iOS, Android, PC, Nintendo Switch
Manchmal sind es gerade die kleinen Spiele, die ohne aufwändige Produktionen entstehen, denen die Leidenschaft ihrer Entwickler in jeder Pore anzumerken sind. Die eingangs erwähne Mühe des Autoren hat sich gelohnt: Herausgekommen ist ein Puzzlespiel mit tausenden hingezeichneten Bildern, das sich hinsichtlich seines außergewöhnlichen Stils, des innovativen Gameplays und der Story mit Interpretationsspielraums deutlich von der Genrekonkurrenz abhebt und durchaus als interaktives Kunstwerk bezeichnet werden kann.
Autor: Daniel Heinz
Bilder: http://gorogoa.com