Nazis, Zombies und ein versoffener Privatdetektiv – Into the Dark (2012) klingt nicht nach Kulturgut. Dabei sei das Spiel aber sehr politisch, sagt sein Entwickler Johann Ertl. Es handle unter anderem von Kriegsverbrechern, Joseph McCarthy, Ronald Reagan und dem War on Terror unter Bush. Und auch ein Hakenkreuz sei schon damals im Spiel gewesen, abgesegnet mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren von der USK. Kann das stimmen? Grimme Game hat nachgeforscht.
Dieser Beitrag ist Teil des Dossiers Politik & Zeitgeschehen. Eine Übersicht über alle Beiträge des Dossiers gibt es hier | Titelbild-Quelle: Homegrown Games Australia / Into the Dark, bearbeitet durch Grimme-Game
Bereits 2012 ein USK-Kennzeichen für ein Spiel mit Hakenkreuz?
Manchmal muss man nacharbeiten: Kurz nach der Veröffentlichung unseres Beitrags „Von Wolfenstein bis Attentat 1942: §86 a StGB“ erreichten uns Hinweise darauf, dass der Text zwei inhaltliche Fehler enthalten würde.
- Es sei nicht richtig, dass es vor 2018 unmöglich gewesen ist, ein USK-Kennzeichen für Spiele zu erhalten, in denen verfassungswidrige Symbole zu sehen sind.
- Die Demo-Version von Through the Darkest of Times (2019) sei nicht das erste Spiel, das unter Anwendung der Sozialadäquanz-Klausel eine USK-Kennzeichnung erhalten hat. Bereits vor sechs Jahren habe Into the Dark (2012) unter Berücksichtigung der Sozialadäquanz eine USK-Kennzeichnung erhalten.
Bei der ursprünglichen Recherche hatten wir keinen Hinweis auf das Spiel gefunden. Inzwischen existiert eine Meldung dazu auf der Website des „for UNCUT!“-Projekts. Hätten wir die Diskussion um die Verwendung verfassungswidriger Symbole in digitalen Spielen bereits 2012 abkürzen können? Wie konnte ein Spiel, das solche Symbole enthält, überhaupt bei der USK eingereicht werden? Schließlich schloss die bis zum August 2018 im Antragsformular (.doc via USK) enthaltene Klausel „Der Antragssteller versichert, dass der Titel bei der Veröffentlichung keine verfassungsfeindlichen Symbole gemäß §86, 86a StGB enthält“ die Einreichung solcher Spiele und damit deren Prüfung eigentlich kategorisch aus.
Ein Let‘s Play belegt das Symbol
In einem Let’s Play Video auf Youtube soll ab 5:33 Minuten das Hakenkreuz zu sehen sein. Und tatsächlich: In der gezeigten Szene wird eine im Spiel aufgefundene Filmrolle mit historisch anmutendem Filmmaterial abgespielt. Dabei ist am unteren Bildschirmrand deutlich ein Hakenkreuz zu erkennen.
Aber wurde für dieses Spiel tatsächlich ein USK-Kennzeichen vergeben? Offensichtlich schon, denn es ist mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren in der USK-Titelsuche zu finden. Der Titel wurde am 17.10.2012 geprüft und ist mit der USK-Nr. 34448/12 versehen.
Wir haben bei Elisabeth Secker, Geschäftsführerin der USK, wie auch bei Johann Ertl, dem Entwickler des Spiels bei Homegrown Games nachgefragt, wie es dazu kam.
Wie ging man damals mit der Klausel im Prüfantrag um, die beinhaltet, dass das eingereichte Spiel keine verfassungsfeindlichen Symbole gemäß §86, 86a StGB enthält? Johann Ertl erklärt uns dazu: „Ehrlich gesagt würde ich auch heute noch unterschreiben. Es ist ja keine Textur, kein Poster, kein Spielinhalt. Das Spiel enthält diese Symbole nicht, es dient als Abspielmedium für eine Dokumentation, die dieses Symbol enthält. Im Prinzip ist Into the Dark in genau diesem Moment nur ein Medienplayer, der eine Doku abspielt. Das mag spitzfindig klingen, aber ich stehe dazu auch heute noch“. Er erinnert sich daran, dass er „eventuell kritisches Material entweder per Email erwähnt hatte oder es dem Prüfer gleich auffiel“.
Let’s Play zu Into the Dark.
USK bestätigt die Altersfreigabe
Elisabeth Secker verweist hinsichtlich einer Freigabe aus heutiger Sicht auf folgende Aspekte: „Die Szene ist offensichtlich in den Kontext der Spielhandlung eingebettet, wirkt in der Schwarz-Weiß-Optik wie eine historische Filmaufnahme und ist nicht interaktiv. Die einzelne Darstellung des Hakenkreuzes steht hier weder dem Schutzzweck des §86a StGB entgegen noch ist dadurch eine jugendgefährdende Wirkungsmacht zu vermuten.“
Nicht nur für die Einreichung des Spiels, sondern auch für die inhaltliche Prüfung bei der USK scheint es dabei bedeutend gewesen zu sein, dass die Szene nicht interaktiv ist. Hätten sich diese Lücke in der Auslegung des Prüfantrags auch andere Einreichende zu Nutze machen können? Es ist nicht auszuschließen. Spannend ist es, an dieser Stelle darüber nachzudenken, ab wann ein Element interaktiv ist und ob sich eine als nicht-interaktiv bewertete Filmsequenz beispielsweise von einem unveränderbaren Bild unterscheidet, das ein Hakenkreuz darstellt und in einer Spielszene an einer Wand hängt.
Into the Dark und Sozialadäquanz
Durch die einzelne Darstellung des Hakenkreuzes sei keine jugendgefährdende Wirkungsmacht zu vermuten gewesen. Aber wurde Into the Dark die Alterskennzeichnung aufgrund einer expliziten Prüfung auf Sozialadäquanz erteilt? Elisabeth Secker teilt uns mit, dass „in den vorhandenen Schriftsätzen kein Hinweis auf in dem Spiel enthaltene Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß §86a StGB“ zu finden sei. Dies spricht gegen eine Erteilung des Kennzeichens unter offizieller Berücksichtigung der Sozialadäquanz, da dies in der Begründung vermutlich erwähnt worden wäre.
Johann Ertl erinnert sich jedoch daran, dass der Begriff Sozialadäquanz in der Kommunikation zwischen ihm und dem zuständigen Prüfer gefallen sei: „Die Reaktion des Prüfers war ohne Diskussion oder Betteln von uns: ‚Ok, da ist ein Hakenkreuz im Film im Kinolevel, aber das können wir unter die Sozialadäquanzklausel fallen lassen‘“. Belegen lässt sich dies jedoch nicht mehr.
Festgehalten werden kann:
- Into the Dark hat bereits 2012 eine USK-Alterskennzeichnung ab 18 Jahren erhalten, obwohl in dem Spiel verfassungswidrige Symbole zu sehen sind.
- Dass Into the Dark die USK-Kennzeichnung unter expliziter Berücksichtigung der Sozialadäquanz erhalten hat, lässt sich nicht belegen.
Die Altersfreigabe ab 18 Jahren lässt bereits vermuten, dass es sich bei Into the Dark nicht um ein „pädagogisch wertvolles“ Spiel wie Through the Darkest of Times, Attentat 1942 oder My Child Lebensborn handelt – politisch ist es dennoch. Fiktionale und non-fiktionale Elemente verschmelzen dabei miteinander. Johann Ertl erklärt: „Wir haben in einem ‚Spiel‘, das sich als miese, trashige Comedy mit Brüsten und Nazizombies tarnt, mit der unreflektierten Übernahme von Kriegsverbrechern durch die USA und die UDSSR, mit der Hexenjagd unter McCarthy, mit Reagan und mit dem War on Terror unter Bush abgerechnet.“ So handele es sich bei dem historischen Filmausschnitt, in dem das Hakenkreuz zu sehen ist, um einen als Dokumentation getarnten Propagandafilm der McCarthy-Ära, der antikommunistische Stimmung verbreiten sollte.
Fortsetzung bereits in Entwicklung
Demnächst veröffentlicht Ertl sein neues Spiel Into the Ice: Nazis of Neuschwabenland auf Steam. Wird auch dieses Spiel verfassungswidrige Symbole enthalten? „Verfassungswidrige Symbole wird es geben, aber nicht als Selbstzweck. ‚Die Bösen zu kennzeichnen‘ ist meiner Meinung nach Selbstzweck. Aber es gibt beispielsweise ein Mahnmal, bestehend aus einem zusammengeschmolzenen Hakenkreuz und einer Gedenkplakette mit dem Titel ‚Nie wieder – nicht in unserem Namen!‘“, so Ertl.
Die neue Praxis bei der USK
Through the Darkest of Times bezeichnet Ertl als „großartiges Spiel“, das die ihm zugeschriebene Pionierrolle vollständig verdiene. Er persönlich sei durch die Pressemitteilung der USK „Erstes Spiel unter Berücksichtigung der Sozialadäquanz gekennzeichnet“ (15.08.2018) jedoch zunehmend mit dem Vorwurf konfrontiert worden, Journalisten und Youtubern gegenüber nicht wahrheitsgemäß geantwortet zu haben, wenn er erklärte, dass Into the Dark 2012 trotz des Hakenkreuzes genehmigt wurde.
Die Pressemitteilung der USK vom 15.08.2018 enthält keinen expliziten Hinweis darauf, dass Through the Darkest of Times das erste Spiel mit USK-Kennzeichen ist, das verfassungswidrige Symbole enthält. Sie „bezieht sich auf die neu getroffene offizielle Entscheidung der zuständigen Obersten Landesjugendbehörde Anfang August, aufgrund ihrer geänderten Rechtsauffassung, entsprechende Spiele generell grundsätzlich zur Prüfung zuzulassen und dabei explizit auf Sozialadäquanz zu prüfen“, erklärt Secker.
Fazit
Dass Into the Dark die USK-Kennzeichnung unter expliziter Erwähnung der Sozialadäquanz erhalten hat, lässt sich nicht belegen. Sicher ist jedoch: Into the Dark wurde 2012 bei der USK zur Prüfung eingereicht und erhielt trotz des im Spiel enthaltenen Hakenkreuzes ein USK-Kennzeichen. Damit ist widerlegt, dass es unmöglich war, vor August 2018 ein USK-Kennzeichen für ein Spiel zu erhalten, das verfassungswidrige Symbole enthält. An dieser Stelle muss die Geschichtsschreibung für die digitalen Spiele korrigiert werden.
Autorin: Stephanie Stark