Was bedeutet eigentlich Spiele-Journalismus in Zeiten der Digitalisierung? Neue Antworten auf diese Frage müssen nicht gefunden werden – sie sind längst da. Petra Fröhlich (GamesWirtschaft) über die Zukunft des Spiele-Journalismus.
Von Sportreportern heißt es gelegentlich, es handele sich überwiegend um Fans, die es hinter die Absperrung geschafft hätten. Das inkludiert den schlecht getarnten Spott, es würde sich um Amateure handeln. Natürlich ist das überwiegend nicht der Fall. Frank Buschmann oder Sebastian Hellmann sind zum Beispiel diplomierte Sportwissenschaftler, also vom Fach.
Ähnliche Biographien gibt es in der Games-Branche selten. Deshalb war gerade der deutsche Spiele-Journalismus von Anfang an ein gigantisches Sammelbecken von Quer- und Seiteneinsteiger*innen, die ein Maximum an Spielzeit und ein Minimum an Orthographie und Satzbau mitbrachten (Beweisstück 1: die Autorin dieses Beitrags).
Wo Produkte getestet und nicht rezensiert werden
Manches hat sich in den vergangenen 30 Jahren nur in Nuancen verändert, etwa der oft belächelte Dreiklang aus Vorschau, Test und Tipps. Den gibt es natürlich immer noch, einfach deshalb, weil die Nachfrage vorhanden ist. Auf den marktführenden Portalen heißen Rezensionen übrigens weiterhin „Test“, häufig abgeschlossen von einer Wertung in Prozentpunkten, weil das den Anspruch dokumentiert, dass sich da jemand sehr gründlich mit dem Spiel auseinandergesetzt hat.
Neu und anders sind die Darreichungsformen: Let’s-Play-Kanäle, Live-Streams, Social Media und Podcasts haben die Format-Landschaft ergänzt. Print stirbt, im IT-Bereich schneller als in anderen Genres: Die Online-Konkurrenz hat dafür gesorgt, dass selbst einstige Auflagen-Dampfer wie Computer Bild Spiele nach 20 Jahren auf Grund gelaufen sind. Die Machtverhältnisse haben sich schleichend verschoben, da die Games-Hersteller längst nicht mehr nur die Fachpresse bedienen, sondern verstärkt Influencer*innen buchen.
Computerspiele sind mittlerweile so gigantisch umfangreich und oft auf eine Betriebszeit von fünf und mehr Jahren ausgelegt, dass man in Einzelfällen ganze Redaktionen beschäftigen könnte, die sich nur einem einzigen Spiel widmen. Und schlussendlich ist die Vielfalt und Bandbreite an Spielen groß wie nie – monatlich fluten Tausende Neuheiten die App-Stores und Download-Portale. Mit der Folge, dass die Zielgruppe üblicherweise weitaus besser Bescheid weiß als noch so fähige Journalist*innen.
Mehr noch: Weil Spiele-Verlage und -Studios via Forum, Social Media, Discord und Newsletter direkt mit den Fans kommunizieren, wird das Publikum immer öfter frühzeitig in den Entwicklungsprozess einbezogen, auch emotional – zuweilen beteiligt es sich sogar finanziell via Crowdfunding daran.
Schnell, bewegt, hintergründig: Die Zukunft des Spiele-Journalismus
Ihre einst exklusiven und geheimen Insider-Infos machten Spiele-Redakteur*innen phasenweise zu wandelnden Heiligen, die auf Messen selten ohne Autogrammkarten unterwegs waren. Doch dieses Vorab-Wissen wurde längst demokratisiert: Fachpresse, YouTuber*innen und Fans erfahren immer öfter gleichzeitig von neuen Spielen oder Funktionen.
Zugleich sind Games längst Mainstream, spätestens seit Erfindung des Smartphones. General-Interest-Medien – etwa Tageszeitungen und TV-Sender – mischen sich wie selbstverständlich unter das Gamescom-Publikum. Politische, (pop-)kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte werden mehr denn je verhandelt: Ist eSport Sport – und wenn ja, wie viele? Müssen Geschäftsmodelle wie Lootboxen stärker reguliert werden? Wie steht es um Diversität, Hate-Speech und Inklusion in dieser angeblich so toleranten Branche? Brauchen deutsche Studios staatliche Subventionen? War es eine kluge Idee, Hakenkreuze in Games zu legitimieren, analog zu Film und TV? Und warum um Himmelswillen führen Fußballprofis nach Toren Fortnite-Tänze auf?
Wenn die Entwicklung im angelsächsischen Raum ein Indiz ist, dann werden wir mit Blick auf die kommenden Jahre eine dreigeteilte Medienlandschaft sehen: erstens das schnelle Breaking-News-Geschäft, zweitens Video-Formate und Let’s-Plays für ein (überwiegend) junges Publikum und drittens ausführliche Lese- und Lausch-Stücke bei Portalen, Podcasts und Blogs, die sich den langen Linien widmen.
Reichweite oder Paywall
Analog zur Politik, wo anders als zu Schröders Zeiten längst nicht mehr „Bild, BamS und Glotze“ fürs Kanzler-Sein und -Werden genügen, liegt die Deutungshoheit im Games-Sektor also nicht länger bei wenigen Leitartiklern, sondern verteilt sich auf enorm viele Kanäle.
Das ist einerseits eine gute Nachricht, weil das journalistische Angebot so bunt, vielfältig und hochwertig ist wie nie. Dass früher alles besser war, stimmt selten – und in diesem Fall erst recht nicht, wenn man weiß, wie hemdsärmelig Spielejournalist*innen jahrzehntelang praktizieren konnten. Schließlich fehlte ja Kontrolle und Widerspruch durch das Netz.
Andererseits ist es im digitalen Zeitalter harte Arbeit, journalistische Angebote zu refinanzieren. Unterm Strich bleiben nur zwei Optionen: Reichweite (Werbung, Affiliate-Umsatz) – oder eben die Paywall. Beides setzt außergewöhnliche Qualität voraus – und zwar auf Dauer.
In jedem Fall ist es ein tröstlicher Gedanke, dass der Spiele-Journalismus auch künftig durchlässig bleiben wird. Daher wird es auch weiterhin eines geben: Fans, die es hinter die Absperrung schaffen.
Autorin: Petra Fröhlich | GamesWirtschaft.de