Im Prüfverfahren der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) wurde die gamescom-Demo zum Spiel Through the Darkest of Times (2018) mit der Altersfreigabe „ab 12“ Jahren gekennzeichnet. In dem Spiel, das in Berlin enwickelt wird, übernehmen Spieler*innen die Rolle einer Widerstandsgruppe zur Zeit des erstarkenden NS-Regimes. Es enthält aber auch Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a StGB – wie etwa das Hakenkreuz. Die Darstellung der Kennzeichen im Kontext des Spieles erfüllte aus Sicht des unabhängigen USK-Prüfgremiums die Kriterien der Sozialadäquanz. Begründung dafür ist die klare Gegnerschaft zum NS-Regime, die das Spiel vermittelt.
Titelbild (Quelle): Paintbucket Games.
„Mit Hakenkreuzen spielt man nicht“
Um diese Entscheidung der USK ist nun eine Kontroverse entbrannt. Während die Gamesbranche und die Spieler*innen die Entscheidung genauso begrüßten wie etwa der Deutsche Kulturrat, veröffentlichte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kurze Zeit später eine Stellungnahme, in der er diese Entscheidung problematisiert: „Der DGB befürchtet durch die neuen USK-Regeln […] negative Effekte und hat sich in einem Brief an Justizministerin Katarina Barley gewandt.“
Bundesfamilienministerin Giffey, die auf der gamescom mit den Machern von Through the Darkest of Times gesprochen hat, äußerte sich kurz darauf ebenfalls zur Sache: „Mit Hakenkreuzen spielt man nicht“, so ein Teil ihres Statements, das für Missverständnisse sorgte (vgl. Frankfurter Allgemeine, 23. August 2018).
Hinter dem Missverständnis steht die Befürchtung, dass Hakenkreuze unreflektiert zum Spielzeug gemacht würden und womöglich willkürliche Verwendung in Spielen fänden. In einem Statement auf Facebook stellte Giffey im Nachgang jedoch klar, dass sie die Entscheidung der USK nicht anzweifelt.
Deutscher Kulturrat fordert differenzierte Debatte
Nachdem zahlreiche Medien die Ministerin verkürzt zitiert hatten, forderte der Deutsche Kulturrat, der die Entscheidung der USK unterstützt, auf, „die in den letzten Tagen entstandene Diskussion zur Freigabe von verfassungsfeindlichen Symbolen in Computerspielen differenziert zu führen.”
Weiterhin erläuterte der Deutsche Kulturrat, „Grundlage einer Freigabe eines Computerspiels, in dem verfassungswidrige Symbole verwandt werden, ist die Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 des Strafgesetzbuches (StGB)“. In dem Gesetz heißt es, „wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.“
Was bedeutet Sozialadäquanz?
Die USK begründete die Anwendung der Klausel bei Through the Darkest of Times in ihrem Statement. „Alle Handlungsoptionen im Spiel richten sich klar gegen das NS-Regime. Das USK-Gremium, bestehend aus vier unabhängigen Jugendschutzsachverständigen und einem bzw. einer Ständigen Vertreter*in der Obersten Landesjugendbehörden, sah die Sozialadäquanz sowohl in der eindeutigen Gegnerschaft zum Regime, als auch darin begründet, dass die verwendeten Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen der Beschreibung von Vorgängen des Zeitgeschehens dienen. Die Kennzeichen werden zudem eindeutig im historischen Kontext verortet und eine Verharmlosung oder Verherrlichung des Nationalsozialismus ist in keiner Weise zu erkennen.“
Elisabeth Secker | Bildquelle: www.HelenNicolai-BusinessPortraits.de
Bisher war es nicht möglich, die Sozialadäquanzklausur auf Spiele anzuwenden. Dabei hatte zuletzt die Selbstzensur beim Spiel Wolfenstein II: The New Colossus (2017) anschaulich gezeigt, wie historische Sachverhalte getilgt und damit ihrer antifaschistischen Botschaft beraubt werden können, wenn jegliche Zusammenhänge mit dem NS-Regime zensiert werden.
Elisabeth Secker, Geschäftsführerin der USK, erläuterte die wichtige Gleichstellung von Games mit anderen Medien, wie etwa dem Film. „Hier zeigt sich, dass Games nicht nur Kunst und Kulturgut seien, sondern sich auch pädagogisch wertvoll mit Zeitgeschichte auseinandersetzen können“, so Secker in der Stellungnahme der USK.
Historische Verantwortung
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, stellt klar: „Verfassungsfeindliche Symbole wie Hakenkreuze oder der Hitlergruß haben in der Regel in Computerspielen nichts zu suchen. Aber in Ausnahmefällen und nur nach Einzelfallprüfung durch die USK ist es richtig und notwendig, dass Computerspiele genau wie Filme, die der Aufklärung und dabei der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen dienen, auch verfassungsfeindliche Symbole nutzen dürfen, um den geschichtlichen Kontext nachvollziehbar zu machen.“
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey resümiert: „Es geht aber bei solchen Fällen um die intensive Auseinandersetzung vor dem Hintergrund unserer historischen Verantwortung, eine Abwägung und genaues Hinsehen und in Ausnahmefällen auch um das Zulassen solcher Symbole – wenn der Kontext das rechtfertigt – ähnlich wie beim Film ‚Schindlers Liste‘. Das ist in diesem Fall erfolgt.“
Autorin: Denise Gühnemann
Weitere Informationen und Reaktionen
USK, Pressemitteilung vom 15. August 2018
Erstes Spiel unter Berücksichtigung der Sozialadäquanz gekennzeichnet
Franziska Giffey via Facebook, 23. August 2018
Grüße von der GamesCom 2018 in Köln
Deutscher Kulturrat, Pressemitteilung vom 24. August 2018
Hakenkreuze in Computerspielen? Deutscher Kulturrat fordert differenzierte Debatte
Deutscher Gewerkschaftsbund, Stellungnahme vom 20. August 2018
Keine Hakenkreuze in Computerspielen!
SPIEGEL ONLINE, 14. August 2018
Verfassungswidrige Symbole – Berliner Studio zeigt erstes Videospiel mit Hakenkreuzen
Berliner Morgenpost, 23. August 2018
Giffey kritisiert Veröffentlichung von Spiel mit Hakenkreuz
ZEIT ONLINE, 23. August 2018
Giffey kritisiert Hakenkreuze in Computerspielen in Deutschland