Ob bei Büchern, Filmen oder Musik – Fragen hinsichtlich des ethischen Wertes von Unterhaltungsangeboten gibt es nicht erst seit den digitalen Spielen. Normen und Werte spielen in Geschichten generell eine große Rolle. Man denke nur an die Märchen aus der Kindheit oder die Gleichnisse aus der Bibel. Doch gerade bei digitalen Spielen hat sich die Diskussion aufgrund der Interaktivität und der audiovisuellen Ausgestaltung des Mediums verschärft.
Der Workshop wurde durchgeführt von der Grimme Medienbildung in Kooperation mit dem Spieleratgeber-NRW.
Während sich die Einen wundern, warum Gamer auf beinahe real erscheinenden, virtuellen Schlachtfeldern ihre Freizeit verbringen wollen, ziehen wieder andere den Vergleich zum kindlichen „Räuber und Gendarm“-Spiel und den fiktiven Charakter heran. Dabei stellt sich jedoch die Frage: Wie weit dürfen digitale Spiele gehen, um noch ethisch vertretbar zu sein? Welche Verantwortung hat die Spieleindustrie? Wie verhalten wir uns in Communities? Und können wir durch interaktive Handlungen für bestimmte Themen sensibilisiert und zum Nachdenken angeregt werden?
Diesen und weiteren Fragestellungen wurde in einem Workshop für Jugendliche im Alter von 16 bis 20 Jahren auf dem 101. Katholikentag entlang eigener Spielerfahrungen und in angeleiteten Diskussionen nachgegangen. Exemplarisch werden im Folgenden drei Methoden aus dem Workshop näher beleuchtet.
Moralische Entscheidungen
Gerade digitale, interaktive Spiele lassen den Menschen zum Handelnden werden. Und oft können moralische Entscheidungen getroffen werden, die den Fortgang der Handlung maßgeblich beeinflussen. Dabei zeigt sich oft auch, dass vermeintlich moralisch gut gemeinte Taten im Nachgang zu problematischen Auswirkungen führen – genau wie im Alltagsleben.
Im Workshop wurden moralische Dilemmata anhand der „Moral Machine“ des MIT thematisiert. In dem auf dem moralischen Gedankenexperiment „Trolley Problem“
basierenden, virtuellen Versuchsaufbau, soll über die Programmierung eines selbstfahrenden, führerlosen Autos entschieden werden, wobei es immer zwei Möglichkeiten gibt. Wenn die Bremsen versagen, wohin soll das Vehikel steuern? Besitzt die Frau mit Kinderwagen für die Gesellschaft eine höhere Wertigkeit als drei ältere Männer? Sollten Personen, die bei Rot über die Ampel gehen eher überfahren werden als die regelkonform agierenden Passanten? Den Teilnehmer/innen wurde nur allzu deutlich, wie verzwickt solche Fragen der nahen Zukunft sein können.
Krieg und Frieden
Darüber hinaus erfuhren die Teilnehmer/innen von Games, die das Thema Ethik aufgreifen und interaktiv erlebbar machen. Neben prominenten Beispielen wie „Shadow oft he Colossus“, „This War of Mine“ oder Games, die sich mit den Themen „Flucht und Asyl“ auseinandersetzen, wurde ein Spiel zum Thema „Pazifismus“ angespielt und gemeinsam besprochen. Das Browsergame „The Visit“ bricht mit den Erwartungen und sanktioniert ein gewalthaltiges Vorgehen, das ansonsten Gang und Gäbe ist.
Auf dem Weg zu seiner Freundin begegnet die Spielfigur einer Krabbe. Aufgrund der an ein Jump&Run erinnerndes Szenario wurde sofort Anlauf genommen und auf den Rücken gehüpft, woraufhin die Polizei erschien und die Figur festnahm. Aus dieser Szenerie mit mehreren möglichen Enden entstand eine Diskussion darüber, warum Gewalt in Games so häufig als Lösung präsentiert wird, welche Alternativen es geben könnte und wann sich die Teilnehmenden unbehaglich fühlen würden obwohl sie „nur“ virtuell agieren. Eine Methodenbeschreibung findet sich in der Datenbank von Digitale Spielewelten.
Communities
Aber nicht nur im Ablauf, sondern auch in den Communities kommt Ethik ins Spiel. Hier sind Anforderungen hinsichtlich Kommunikation, Kooperation, Teamfähigkeit, Akzeptanz (gegenüber anderen Spielen, aber auch gegenüber Regeln der Gemeinschaft) relevant. Es handelt sich um Werte, die in der digitalen Spielumgebung im Umgang mit anderen durchaus eingeübt und verfestigt werden können. Ähnlich wie in Sozialen Netzwerken handelt auch hier nicht jeder Spieler verantwortungsbewusst und rücksichtsvoll. So ist gerade im erfolgsorientierten Wettstreit nicht selten ein recht rüdes Verhalten anzutreffen. Dies reicht von Beschimpfungen bis hin zu unfairen Spielabbrüchen im Teamplay. Dies wird im Gamerjargon „Toxic Behaviour“ genannt.
Das Projekt Ethik & Games der TH Köln widmete sich über zwei Jahre den hier aufgegriffenen Fragestellungen in digitalen Spielen.
Die Teilnehmer/innen des Workshops kannten solche Probleme und tauschten sich über sinnvolle Verhaltensregeln aus und untersuchten bereits etablierte Beispiele wie die Kampagne „Dein Spiel, Dein Leben“ sowie die 10 Gebote der digitalen Ethik, die JUUUPORT in Zusammenarbeit mit Masterstudierenden der Hochschule der Medien Stuttgart entwickelt hat.
Verantwortung der Videospielindustrie
Letztendlich hat auch der Spielehersteller oder -publisher eine ethische Verantwortung gegenüber den Spielenden. Dies reicht von der Verwendung des entstehenden Datensatzes bis hin zu Verbraucherschutzaspekten, wie die Debatte um Lootboxen nur allzu deutlich zeigt.
Hierzu nahmen die Jugendlichen die Rolle von Spieleentwicklern an und haben in Kleingruppen auf dem Reißbrett ein digitales Spiel konzipiert, das möglichst viele Gamer/innen ansprechen, sie über einen langen Zeitraum binden und hohe Gewinne erzielen sollte. Durch diesen Perspektivwechsel wurden ökonomische Interessen verständlich und die Teilnehmenden zur kritischen Reflexion eigener Spielerfahrungen angeregt.
Fazit
Im Workshop wurde deutlich, wie vielfältig die Thematik ist und welche unterschiedlichen Perspektiven eingenommen werden können. So wurde nur am Rande über ethische Fragestellungen hinsichtlich der VR-Technologie und stereotype Darstellungen von Geschlechterrollen gesprochen, Alterskennzeichnungen der USK reflektiert und über Qualität von Games, Tabubrüche und Jugendschutz angeregt diskutiert.
Autor: Daniel Heinz
Bilder: Birgit Amenda, BDKJ Diözese Münster e.V.
Titelbild: pixabay.de