„Zunächst ist festzustellen, dass das Klagen über Freizeitaktivitäten von Jugendlichen nichts Neues ist. Jede Jugendgeneration macht etwas anderes als ihre Eltern und jede Elterngeneration beklagt in schöner Regelmäßigkeit in Verklärung der eigenen Jugendzeit den Verlust an ‚ordentlichem‘ Zeitvertreib bei der Jugend.“ (Publikation des Deutschen Kulturrats, 2008, S. 17)
Games sind längst nicht mehr nur Jugendkultur. Schließlich gibt es sie schon seit mehr als 40 Jahren und diejenigen, die mit ihnen aufgewachsen sind, sind längst erwachsen. Der durchschnittliche Gamer ist dementsprechend Mitte 30, bekannte Spieleserien wie „GTA“ oder „Call of Duty“ sind ausschließlich für Erwachsene. Ein Umstand, den auch die sogenannte Killerspiel-Debatte oft außer acht lässt. „Spiel“ bedeutet längst nicht mehr nur „für Kinder“.
Mehr als 34 Millionen Deutsche spielen, davon rund 28 Millionen sogar regelmäßig. Die über 50-Jährigen machen dabei sogar den größten Teil der Nutzenden aus.
„Gespielt wird heute auf fast allen Geräten: Der klassische Computer, als Desktop-PC oder Laptop, ist die in Deutschland weiterhin beliebteste Spiele-Plattform. Ob Browser-Spiel, eSports-Titel oder Virtual-Reality-Games: Der PC ist als Spiele-Plattform besonders vielseitig. Smartphones gewinnen immer mehr Spieler in Deutschland, bleiben bei der Anzahl der Spieler aber vorerst noch auf Platz zwei.“ (Quelle: BIU)
Der „Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware“ (BIU) fasst die deutschen Marktdaten für digitale Spiele aus 2016 anschaulich zusammen:
Doch jenseits ihrer wirtschaftlichen Bedeutung lohnt sich besonders der Blick auf ihre kulturelle Bedeutung.
Computerspiele sind […] vielfältig mit Fragen der kulturellen Entwicklung der Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft und speziell der Jugend verbunden. All zu simple Positionen, so bereitwillig sie im öffentlichen und politischen Diskurs auch aufgenommen werden mögen, führen in die falsche Richtung. (Publikation des Deutschen Kulturrats, 2008, S. 8)
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, resümiert: „In einer Pressemitteilung am 14. Februar 2007 schrieb ich: ‚Bei der Debatte um Gewalt in Computerspielen darf aber nicht über das Ziel hinausgeschossen werden. Erwachsene müssen das Recht haben, sich im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen auch Geschmacklosigkeiten oder Schund anzusehen bzw. entsprechende Spiele zu spielen. Die Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit gehören zu den im Grundgesetz verankerten Grundrechten. Die Kunstfreiheit ist nicht an die Qualität des Werkes gebunden. Kunstfreiheit gilt auch für Computerspiele.’ […] Heute, gut zehn Jahre später, zweifelt kaum jemand mehr an, dass Computerspiele selbstverständlich Kulturgut sind. Und manche Perlen unter den Computerspielen sind sogar Kunstwerke.“ (Politik und Kultur, Zeitung des Deutschen Kulturrats 5|17, S. 17)
Nicht erst seit der „Ernennung“ zum Kulturgut durch die Aufnahme des GAME Bundesverbands in den Deutschen Kulturrat 2008 befindet sich das Medium „Game“ im Spannungsfeld zwischen Fans und Gegnern, Spaß und Ernst, gesellschaftlicher Relevanz und Ignoranz.
Computerspiele sind längst ein Taktgeber zeitgenössischer Medien-produktionen und damit ein starkes und spannendes Thema für das Grimme-Institut. Als relevanter Teil einer umfassenden Medienbildung ist der Diskurs um digitale Spiele jedoch noch immer geprägt von Subjektivität. Objektive und qualitative Debatten werden von Ängsten und Sorgen genauso wie von Leidenschaft und persönlicher Begeisterung überlagert. Die Game Studies als interdisziplinäre wissenschaftliche Auseinandersetzung finden nicht immer den Weg aus dem Elfenbeinturm.
Hier setzt unsere Arbeit an: Das Grimme-Institut zählt zum kleinen Kreis renommierter Forschungs- und Dienstleistungseinrichtungen in Europa, die sich mit Fragen der Medienkultur und -bildung im digitalen Zeitalter befassen. Es leistet einen einordnenden Beitrag bei der öffentlichen Meinungsbildung über Medien, ihrer Qualität, gesellschaftlichen Verantwortung und Bedeutung – sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene. Zu den Kernaufgaben des Grimme-Instituts gehört die Beobachtung, Analyse und Bewertung von Medienangeboten und -entwicklungen – vom klassischen Fernsehen über den Hörfunk bis hin zum Internet.[…] Das Grimme-Institut steht weiterhin für qualifizierte Bildungsangebote und den Wissenstransfer zwischen Theorie und Praxis. (Selbstverständnis des Grimme-Instituts)
So waren Computerspiele auch bei allen bisherigen Förderrunden des Grimme-Forschungskollegs vertreten. Immer wieder sind sie Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, die spannende Erkenntnisse über das für viele doch noch junge Medienformat generieren.
Doch darüber hinaus gibt es viele weitere Schnittstellen, die deutlichsten beim renommierten Grimme Online Award, dessen Einreichungen und Nominierungen schon lange geprägt sind von spielerischen Elementen. Entsprechend stellte die Preispublikation 2016 die berechtigte Frage: „was sind eigentlich Spielelemente? Wo beginnt das Game in den unendlichen Weiten des Internets?“ und fokussierte Games im Rahmen des Awards nicht nur im Interview mit Geschäftsführerin Dr. Frauke Gerlach, sondern auch mit Gastbeiträgen verschiedener Experten. Das Fazit lautete: Und so erwarten wir auch, dass sich in Zukunft im Bewertungsspektrum des Grimme Online Award noch mehr Spiele und spielerische Elemente finden werden. Oft werden sie heute schon so geschickt eingesetzt, dass der Nutzer kaum merkt, dass es sich um Spieleelemente handelt. Informationsinhalte und spielerische Interaktion fließen wie selbstverständlich zusammen, die Nutzer werden in die Geschichten hineingezogen und gefesselt, die Informationsvermittlung erfolgt quasi nebenbei. Mission erfüllt.
Das Grimme Lab, das „digitale Ideen für eine analoge Welt“ präsentiert, hat ebenfalls schon Games und ihre gesellschaftliche Relevanz im Dossier „Jugend: informiert und engagiert – online & offline“ thematisiert. Und selbstverständlich durfte das Thema auch im Dossier „Frauen und Medien“ nicht fehlen, sorgte doch die sogenannten #Gamergate-Debatte, in der es u.a. um die Darstellung von Geschlecht im digitalen Spiel ging, vor gar nicht allzu langer Zeit auch in einigen Feuilletons (z.B. FAZ) für Furore.
Diese ganz unterschiedlichen Auseinandersetzungen mit Computerspielen zeigen die Vielfalt der Arbeit des Grimme-Instituts und weisen längst auch über das schon seit 2005 laufende Internet-ABC und den gleichnamigen gemeinnützigen Verein, dem alle Landesmedienanstalten Deutschlands angehören und der es sich zum Ziel gemacht hat, „Kinder und Erwachsene beim Erwerb und der Vermittlung von Internetkompetenz zu unterstützen“, hinaus. Die Annäherungen sind auch im Institut so vielfältig wie das Medium selbst.
Die Webseite grimme-game.de versteht sich als Diskurs- und Präsentationsplattform, spiegelt demnach hauptsächlich die aktuelle Arbeit des Themenschwerpunktes „Games und Gesellschaft“ wider und macht damit die Arbeit des Grimme-Instituts sichtbar. Die Webseite dient dabei der Präsentation, besonders aber auch der Ergänzung und Vertiefung der Ansätze und der Bereitstellung einer breiteren Öffentlichkeit. Sie trägt zum Diskurs und damit der öffentlichen Wahrnehmung bei.
Verschiedene Themengebiete subsummieren die unterschiedlichen Aktivitäten von Grimme Game und werden durch Gastbeiträge aus dem wissenschaftlichen wie medienpädagogischen Netzwerk ergänzt. Termine bilden ab, wo das Grimme-Institut aktiv unterwegs ist, sich in Form von Vorträgen, Workshops oder programmatischer Form einbringt. Der Tipp der Redaktion, der in Kooperation mit dem Spieleratgeber-NRW entsteht, präsentiert ausgewählte Spiele und möchte besonders auch Nicht-Gamer neugierig auf das spannende Medium machen.